Das Konzert der vielen Bilder
Kieler Nachrichten | 9. Januar 2012 | Thomas Richter
Das Konzert der vielen Bilder
Philipp Broda und Marc Brenken verwandeln die Jakobi-Kirche in einen
Jazzclub
Über Euphrat und Nil hieß standesgemäß der erste Song, mit dem das Duo Philipp
Broda (Saxofon) und Marc Brenken (Klavier) am Freitag seinen Auftritt in der
randvollen Jakobi-Kirche eröffnete. Er hätte aber auch „Regennacht in New York"
oder ähnlich heißen können. Denn das Arrangement von Brenkens Komposition, das
ein lyrisches, geheimnisvoll unterkühltes Saxofon mit gefühlvoll fließendem, dann
wieder rhythmisch zugkräftigem Tastenspiel verschmolz, ließ in seiner
atmosphärischen Dichte schnell an die Klangbilder des Film Noir oder eines
Scorsese-Streifens denken.
Selbst improvisatorische Exkursionen gerierten sich in angenehmer Disziplin und
verließen selten das harmonische Gesamtgefüge des Liedes. Und dies galt im
Wesentlichen für den ganzen wunderbaren Abend. Ob es sich um das von
einschmeichelnden Melodielinien geprägte Troett (schwedisch für „müde“) handelte,
mit dem der Kieler Saxofonist, Absolvent eines Aufbaustudiums an der Musikschule
in Malmö, eine fast meditative Stimmung erzeugte. Oder das zauberhafte,
vielgestaltige Strumyk (polnisch für „kleiner Fluss“) aus der Feder des Essener
Pianisten einer Naturbeschreibung gleich innere Landschaften malte. Dabei waren
die fast schwerelosen Läufe über die Klaviatur nicht die einzige Facette in Marc
Brenkens Spiel. Immer wieder zupfte, strich und klopfte er an der Klaviermechanik
und den Saiten herum und entlockte dem Instrument so ungewohnte Sounds‚ die
stilprägend für das ganze Konzert waren, aber insbesondere seiner Komposition The
Moon, the Sky ihren eigenwilligen mystisch-wabernden Charakter verlieh.
Auf ganz erstaunliche Weise erschuf das Duo so über die Musik hinaus
Assoziationsräume, ohne dass die Kompositionen dabei beliebig klangen oder sich in
Klangmalereien erschöpften. Ähnlich verhielt es sich auch mit den beiden
„Klassikern“ des Abends, On The Sunny Side of the Street oder der Zugabe Like
Someone in Love. Leicht akzeleriert und von Brodas Saxofon elegant geführt hatten
diese Songs mit Jazz oder Cool Jazz, der vielleicht eigentlichen Provenienz dieser
großartigen Künstler, nur im weitesten Sinne zu tun. Und dann doch wieder ganz viel.
Denn wie in kaum einer anderen Muslkrichtung sind Schubladen hier unangebracht.
Dem Publikum jedenfalls gefiel das Konzert der vielen Bilder, und es verwandelte die
Kirche durch seinen ungezügelten Applaus nicht selten in einen Jazzclub.
Thomas Richter, Kieler Nachrichten, 9. Januar 2012